Die Krise ist noch nicht vorbei
01. März 2021

Kann man es eine Krise nennen, wenn in D-A-CH der Umsatz bei den EMS Unternehmen 2020 um 4,3% im Mittel sinkt? Man kann, denn das trügerische an Mittelwerten ist immer, dass sie in der Verteilung der Einzelwerte nicht die Höhen und Tiefen aufzeigen, sondern eben nur einen Mittelwert.

Mit der diesjährigen EMS Europa Jahresstatistik 2020 hat Weiss Engineering unter seiner Marke in4ma wieder einen neuen Rekord aufgestellt. In Summe wurden für die Auswertung die Werte von 191 rechtlich selbstständigen EMS Unternehmen, die zu 152 Firmen in Europa gehören, ausgewertet.

In Deutschland entsprechen die ausgewerteten Umsätze über 65% des deutschen Produktions-volumens, in der Schweiz sind es 46%, in Österreich 83%, in den Niederlanden + Belgien 26% und im Baltikum, dominiert von Estland, 45%. Zudem haben Firmen aus Spanien, Frankreich, Italien, Ungarn, Slowenien, Finnland, Schweden, Norwegen und Großbritannien an der Jahresstatistik teilgenommen und wurden teils als Länder, teils als Ländergruppen, ausgewertet. Das gesamte Umsatzvolumen der ausgewerteten Firmen entspricht ca. 20% des Europäischen Produktionsvolumens (berechnet auf der Basis der 2019er Jahreswerte).

69% aller beteiligten Firmen hatten 2020 einen Umsatzrückgang. Dabei kam in der Auswertung der Trend zum Vorschein, dass je kleiner das Unternehmen, umso größer der Umsatzrückgang. In Deutschland hatten EMS Unternehmen mit weniger als 5 Mio. Euro Umsatz im Mittelwert einen Umsatzrückgang von 22%, während die großen Unternehmen (> 50 Mio. Euro) lediglich im Mittel ein Minus von 4,3% berichteten.

Erwartungsgemäß hatte der Automobilsektor mit einem Umsatzrückgang bei den meldenden Unternehmen von über 89 Mio. Euro einen starken Einfluss auf die Umsätze der Unternehmen. In Frankreich und Italien, wo die Automobilanteile höher sind als in D-A-CH waren auch deutlich höhere Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Derzeit werden die Auswirkungen auf europäischer Ebene weiter hochgerechnet und dürften für die EMS Industrie in Summe mehr als 200 Mio. Euro Minus ausmachen.

Überraschenderweise war jedoch der Einbruch im Segment Industrie-Elektronik sowie „Messen-Steuern-Regeln“ mit minus 272 Mio. Euro noch deutlich höher. Hier rechnet in4ma derzeit mit einem Gesamtrückgang in Europa von über 500 Mio. Euro 2020. Genaue Zahlen zu den Hochrechnungen für Gesamteuropa werden bis Mai zur Verfügung stehen.

Den größten Zuwachs konnte die Medizin-Technik Branche mit einem Plus von fast 130 Mio. Euro verzeichnen, wobei über die Hälfte davon aus der Schweiz kam. Demzufolge hatten die meldenden Unternehmen in der Schweiz als einer der wenigen Länder 2020 ein Umsatzwachstum bei den meldenden Unternehmen. Dieses Wachstum, sehr stark von der Nachfrage nach Beatmungsgeräten beeinflusst, wird von den beteiligten Firmen jedoch nicht als nachhaltig angesehen und so ist die Schweiz das einzige Land in Europa, welches für 2021 einen Umsatzrückgang einplant.

Die Zukunft sehen die Meldefirmen ansonsten größtenteils zuversichtlich und prognostizieren im Mittel in Europa ein Plus von 6,5% für 2021. Diese Zuversicht kann in4ma jedoch nicht teilen. Einerseits war interessant, dass je größer der Umsatzeinbruch in 2020 war, umso höher waren die Erwartungen der Meldefirmen für 2021 und 2022. Diese Erwartungshaltung ist extrem gefährlich, denn sie wird nach Ansicht von in4ma nicht eintreten.

Mit einem Umsatzanteil von ca. 20% ist die Automobilindustrie ein wichtiges Marktsegment in Europa und würde auch gerne wachsen. Leider scheitert dies derzeit an Allokationsproblemen bei Halbleitern. Insbesondere 16-bit Microcontroller für Multiplexer Anwendungen sind stark gefragt und kaum verfügbar. Es ist absehbar, dass dieses Problem mindestens bis Ende des 3. Quartals anhalten dürfte, zumal im Februar einige Wafer-Fabs in Texas wegen Unwettern die Produktion einstellen mussten. Insbesondere kleinere Unternehmen, die 2020 schon im Schnitt mehr Federn lassen mussten, beklagen sich bereits massiv, dass sie von den Distributoren hängen gelassen werden. Da spielen anscheinend einige Distributoren mit dem Feuer, denn das wird sich irgendwann rächen.

Erfreulich ist derzeit lediglich der Zuwachs von 23% bei den Meldefirmen für die in4ma Jahresstatistik. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Statistik und die mittlerweile 71 Seiten umfassende Auswertung für teilnehmende Meldefirmen kostenlos ist und keine Mitgliedsbeiträge erfordert. In4ma finanziert die Jahresstatistik komplett aus Spenden und Crowdfunding durch die EMS Industrie. Die höhere Akzeptanz bei den Unternehmen ist auch auf die massive Unterstützung durch diverse Branchenverbände zurück zu führen. So unterstützt der Niederländische Verband Federatie van Technologiebranches aus Leusden, Niederlande, der Schweizer Verband IG Exact aus Männedorf, Schweiz und der Estnische Verband Estonian Electronics Industries Association aus Tallinn, Estland die Arbeit von in4ma und motiviert seine Mitglieder zur Teilnahme an der Statistik.

Die Unterstützung durch einen deutschen Verband steht weiterhin aus, obwohl paradoxerweise die Mehrheit der EMS Mitglieder eines deutschen Verbandes an der in4ma Statistik teilnehmen und die Auswertung zu schätzen wissen. Zudem unterstützen im deutschsprachigen Raum viele dieser Firmen die Arbeit von in4ma im Crowdfunding auch finanziell. Nun ist der globale Verband IPC stattdessen eingesprungen, weil der IPC die Wichtigkeit dieser Statistik verstanden hat, ist Premiumsponsor von in4ma geworden und wirbt zudem für die Arbeit von in4ma auf globaler Ebene.

Der IPC unterstützt nicht nur die Arbeit von in4ma, sondern er unterstützt die gesamte EMS Branche in Europa, führt Management Gesprächskreise durch, veröffentlicht Marktzahlen, pflegt und veröffentlicht die weltweit anerkannten Spezifikationen für die Elektronikindustrie, organisiert Schulungen und Zertifizierungen zu den Spezifikationen und versteht sich als Interessenvertreter der Elektronikindustrie gegenüber den öffentlichen Organen weltweit.

Die Jahresstatistik wird nicht nur von den Meldefirmen als wichtiges Benchmark genutzt sondern kann auch nicht meldenden EMS Unternehmen sowie von der EMS Zulieferindustrie bei in4ma käuflich erworben werden, um die aktuellen Trends und Erwartungen der EMS Industrie kennenzulernen.

Kontaktformular

Captcha Code